Ab 1. Juli sind fast alle Sitzungen öffentlich
Politik - Welche Auswirkungen hat die Änderung der Gemeindeordnung im Rhein-Hunsrück-Kreis?
Rhein-Hunsrück. Die Kreistage, Stadt-, VG- und Gemeinderäte müssen sich
auf Änderungen einstellen: Ab dem 1. Juli sind nämlich die Möglichkeiten
eingeschränkt, die Öffentlichkeit von Sitzungen auszuschließen –
Ausschusssitzungen inklusive. Das hat der Landtag beschlossen. Hinter
verschlossenen Türen beraten können die Räte und auch Ausschüsse demnach
nur noch, wenn dies ausdrücklich bestimmt oder die Beratung in
nicht-öffentlicher Sitzung aus Gründen des Gemeinwohls oder wegen
schutzwürdiger Interessen Einzelner erforderlich ist. Welche
Auswirkungen das auf die Ratsarbeit haben wird, wissen viele
Entscheidungsträger heute noch nicht genau einzuschätzen.
Grundsätzlich begrüßen es die Politiker aus dem Kreis, dass die neue
Gemeindeordnung die Arbeit der Räte für die Bürger transparenter macht:
„Das neue Gesetz hat für meine Arbeit keine Relevanz. Grundsätzlich habe
ich nichts dagegen, wenn mehr Öffentlichkeit bei Sitzungen entsteht“,
sagt Landrat Marlon Bröhr. Der Bürgermeister der Verbandsgemeinde St.
Goar - Oberwesel, Thomas Bungert, ergänzt: „Wir verstehen uns als
Dienstleister und behandeln schon jetzt so viele Themen wie möglich
öffentlich.“ Allerdings machten die Bürger seiner Beobachtung nach nur
selten von der Gelegenheit Gebrauch, sich über die anstehenden Projekte
zu informieren: „Nur wer ganz unmittelbar von einer Ratsentscheidung
betroffen ist, kommt mal zur Sitzung.“ Daran werde auch das neue
Landesgesetz nicht viel ändern, befürchtet Bungert.
Die konkrete Ausgestaltung der neuen Gemeindeordnung bereitet dem St.
Goarer Stadtbürgermeister Horst Vogt indes noch Bauchschmerzen: „Wenn
ich es jedes Mal begründen muss, warum ein Thema nicht-öffentlich
behandelt werden soll, mache ich mich angreifbar.“ Außerdem könne er
sich vorstellen, dass die Neuregelung Auswirkungen auf die
Arbeitsatmosphäre bei den Sitzungen hat. Während bei den öffentlichen
Stadtratssitzungen oft die Fetzen flogen, ging es nach dem Empfinden des
Stadtbürgermeisters hinter den Kulissen friedlicher zu: „Unsere
nicht-öffentlichen Ausschusssitzungen waren bisher immer von Harmonie
geprägt.“
In Boppard zeigt das neue Gesetz schon vier Tage nach Inkrafttreten
Wirkung: Der Bauausschuss tagt am Dienstag, 16.30 Uhr, erstmals
öffentlich. „Ich habe keine Angst vor der Öffentlichkeit“, kommentiert
Bürgermeister Walter Bersch das neue Landesgesetz. Er persönlich könne
sich auch mit Ton- und Bildaufzeichnungen anfreunden. Aber man müsse
auch akzeptieren, wenn Mandatsträger damit nicht einverstanden sind.
Bersch sieht aber auch die Schattenseite: „Es wird in öffentlichen
Ausschusssitzungen nicht mehr so offen gesprochen wie bisher hinter
verschlossenen Türen.“
Sein Kollege Christian Keimer in Kastellaun
befürchtet daher auch, dass es zu mehr „informellen Zirkeln“ kommen
wird, wenn es um die Beratung brisanter Themen geht. Will heißen: Wenn
die Ausschusssitzungen öffentlich sein müssen, lässt sich leicht ein Weg
finden, diesen eine nicht-öffentliche Vorberatung vorzuschalten. „Ich
sehe das ganze kritisch und fand das bestehende System gut, es hatte
mehr Freiheit.“
„Wir haben schon immer stark auf die Öffentlichkeit gesetzt“,
unterstreicht Kirchbergs VG-Bürgermeister Harald Rosenbaum. „Es gibt
aber Dinge, die vorbereitende Beratungen brauchen. Ein Schaulaufen ist
da eher kontraproduktiv.“ Film- und Tonaufnahmen steht er kritisch
gegenüber: „Wie schnell entwickelt sich in sozialen Netzwerken ein
Shitstorm, wenn jemand eine unbedachte Äußerung macht. Wer will sich
dann noch engagieren?“
Mehr Öffentlichkeit begrüßt auch Simmerns Stadtchef Andreas Nikolay.
Allerdings hält er nicht viel von der Vorabveröffentlichung der
Haushaltssatzung. „Dadurch werden bei den Bürgern Erwartungen geweckt,
die wir nicht erfüllen können.“
Michael Boos, Bürgermeister der VG Simmern, ist prinzipiell für mehr
Öffentlichkeit. „Ich sehe die Angelegenheit relativ gelassen. Große
Veränderungen gibt es nicht.“ Aber in Sachen Etatpläne sieht er die
Verwaltung besonders gefordert. „Vielleicht erstellen einige Gemeinden
künftig einen Doppelhaushalt wie die VG. Sonst wird es wirklich eng für
uns – wir müssen 40 Haushalte erstellen.“
ww/tor/mko/mal
Rhein-Hunsrück-Zeitung vom Freitag, 1. Juli 2016, Seite 17
1 Kommentar:
Das die rot-grüne Landesregierung dieses Gesetz beschlossen hat, ist die fehlende Transparenz und Offenlegung der Vertragsgestaltung im Landtag für den Verkauf vom Flughafen Hahn nicht nachvollziehbar.
Kommentar veröffentlichen