Samstag, 25. Juni 2016

Brexit-Abstimmung - Die Briten sind raus („Britain first“)

Die Austritts-Befürworter haben sich durchgesetzt. 
Laut vorläufigem amtlichen Endergebnis stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU.
Im historischen Referendum der Briten haben sich die Brexit-Befürworter laut vorläufigem amtlichen Endergebnis durchgesetzt.
Nach Auszählung von 382 der 382 Wahlbezirke lagen stimmten 17,4 Millionen Menschen für einen Austritt aus der Europäischen Union. Das entspricht 51,9 Prozent. Für einen Verbleib stimmten 16,1 Millionen Menschen beziehungsweise 48,1 Prozent.
Die Brexit-Befürworter konnten vor allem in England und in Wales erstaunlich viele Stimmen einsammeln. In London und Schottland bestätigten sich teils die positiven Erwartungen aus Sicht der EU-Befürworter – doch insgesamt schnitt das Brexit-Lager in vielen Regionen besser ab als von den Demoskopen erwartet.
Der Chef der europafeindlichen Ukip, Nigel Farage, richtete sich bereits am frühen Morgen an seine Anhänger. „Ich glaube, wir haben gewonnen“, zitiert ihn der „Guardian“. Premierminister David Cameron müsse sofort zurücktreten. Das sei ein „Sieg der einfachen Leute“, der „anständigen Leute“, so Farage. Man habe das Ergebnis ohne einen Kampf erzielt, ohne eine einzige Kugel abzufeuern. Inzwischen hat das Remain-Lager reagiert: Farages Äußerungen seien geschmacklos.

Pfund erlebt gewaltigen Kurssturz
Der Chef der Labour-Partei in Großbritannien, Jeremy Corbyn, hat sich unterdessen für einen raschen Beginn von Austrittsverhandlungen mit der EU ausgesprochen. Der Artikel 50 des Lissabon-Vertrags, der den Austritt eines Landes aus der EU regelt, müsse „jetzt angewendet werden“, sagte Corbyn in einem BBC-Interview am Freitag.
Als Reaktion auf den Brexit erlebte das Pfund den größten Kurssturz seiner Geschichte und rauschte auf 1,33 Dollar runter – den tiefsten Stand seit 30 Jahren. Auch die Kurse der britischen Banken stürzten: An der Börse in der ehemaligen britischen Kronkolonie Hongkong, wo einige der Finanzwerte gehandelt werden, ging es am Freitagmorgen prozentual zweistellig abwärts. Der Dax startete am Montag mit einem Minus von knapp zehn Prozent.
Umfragen hatten kurz nach 23 Uhr noch auf einen knappen Sieg der Brexit-Gegner hingedeutet. 52 Prozent der Wähler, die das Institut YouGov nach ihrer Stimmabgabe befragte, hatten sich für den Verbleib in der Europäischen Union entschieden, 48 Prozent dagegen. Zum gleichen Ergebnis kam offenbar eine interne Umfrage eines Hedgefonds, berichtete ein Nachrichtenredakteur der Financial Times. Derzeit aber spricht alles dafür, dass diese ersten Umfragen falsch lagen.

Herbe Niederlage für David Cameron
Mit knapp 72 Prozent lag die Wahlbeteiligung an der Brexit-Abstimmung eher hoch. Zur Parlamentswahl im vergangenen Jahr waren nur 66,1 Prozent der registrierten Wähler gegangen. Allerdings kommt das EU-Referendum nicht an die Volksabstimmung derSchotten über ihre Unabhängigkeit 2014 heran: Damals hatten sich 84,6 Prozent beteiligt und mehrheitlich gegen den Abschied aus dem Vereinten Königreich gestimmt.
Insgesamt hatten sich 46,5 Millionen Wähler registriert, viele von ihnen waren bis zuletzt unentschlossen. Monatelang hatten die Lager um Stimmen gekämpft. Vergangene Woche hatte der Mord an der EU-freundlichen Abgeordneten Jo Cox das Land schockiert und den Wahlkampf für kurze Zeit zum Erliegen gebracht.
Der nun erwartete Austritt aus der EU ist eine herbe Niederlage für den konservativen Premierminister Cameron, der für den Verbleib geworben hatte. Sein Rücktritt gilt als wahrscheinlich - auch wenn er stets beteuert hat, in jedem Fall im Amt bleiben zu wollen.

„Ein schlechter Tag für Europa“
Die meisten Experten gehen zudem davon aus, dass der Brexit die EU wohl in die schwerste Krise ihrer Geschichte stürzen wird.
Als einer der Ersten meldete sich am Freitagmorgen Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) via Twitter zu Wort. „Damn! Ein schlechter Tag für Europa“, schrieb der Vizekanzler. Auch die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon reagierte bereits: Ihren Worten zufolge sehen die Schotten ihre Zukunft als Teil der EU.
FDP-Chef Christian Lindner forderte Härte gegenüber London bei den voraussichtlichen Verhandlungen über den EU-Austritt Großbritanniens. „Eine bedauerliche Entscheidung der Briten, auf die es keinen Rabatt geben darf“, sagte der Vorsitzende der Freidemokraten. Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders forderte nun ebenfalls ein Referendum über die EU-Mitgliedschaft seines Landes.

Gauck: „Wir sollten aus der Krise Lehren ziehen“
In den EU-Staaten hatten sich bereits am Donnerstag die Stimmen gemehrt, die unabhängig vom Ausgang des historischen Referendums dafür plädierten, grundsätzlich über die Europäische Union nachzudenken. Ein „Weiter so“ könne es nicht geben, hatte es über die Parteigrenzen hinweg gehießen. Auch Bundespräsident Joachim Gauck hatte gewarnt: „Wir sollten aus der Krise Lehren ziehen und weiter diskutieren, wie wir in Europa leben wollen“.
Ganz ähnlich hatte sich Ungarns Regierungschef Viktor Orban positioniert. Er verlangte von der EU und ihren Gremien einen „tiefgreifenden Wandel im Selbstverständnis“.
Unabhängig davon, wie das Referendum in Großbritannien ausgehe, müsse Europa „seine Lehren ziehen aus der Kritik von Millionen Bürgern, die von vielen Mitgliedstaaten geteilt wird“, sagteOrban der „Bild“-Zeitung.

Quelle: schä.
http://www.faz.net/aktuell/politik/brexit/brexit-abstimmung-grossbritannien-verlaesst-die-eu-14305199.html
http://www.n-tv.de/politik/Die-fettesten-Brexit-Versprechen-sind-schon-gebrochen-article18042756.html
http://www.faz.net/aktuell/politik/brexit/brexit-scheidungsgespraeche-statt-nachverhandlungen-14306056.html
https://www.youtube.com/watch?v=C03n4AAiL9w

2 Kommentare:

Olaf Ketzer hat gesagt…
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
Olaf Ketzer hat gesagt…

"Britain first": Wenn jeder zuerst an sich denkt, steht das ICH im Vordergrund und nicht das WIR. Ein vereintes Europa zieht anders aus.
Der Jubel der "Leaver" Befürworter und Anhänger wird nicht lange anhalten, in den nächsten Monaten werden sich die wirtschaftlichen negativen Auswirkungen bei den Engländern im "Portemonnaie" niederschlagen.
Die Schotten und Iren denken weiter ... und aus dem vermeintlichen Sieg von "first" wird zuletzt noch ein "last".
Die Kirche würde sagen: "Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun."